Hape Kerkelings Biographie: Wie Humor und Depressionen das Leben eines Komikers zeichneten

Kerkeling Biografie
Collage von Birgit Steinborn

Wie kommt ein Junge, der unter den Depressionen seiner Mutter leidet, ausgerechnet auf die Idee, Komiker zu werden? Bekannt als Moderator und für seine Kunstfiguren wie Horst Schlämmer oder Uschi Blum, zeigt sich Hape Kerkeling in der Öffentlichkeit von seiner humorvollen Seite. Caroline Link zeigt den lustigen Hape in der Verfilmung seiner Autobiographie von einer ganz anderen Seite, die man so nicht erwartet hätte. Auch wenn der Komiker schon als Kind sich zur Aufgabe gemacht hat, sein Umfeld stets zum Lachen zu bringen, gab es für ihn viele Momente in der Kindheit, die für ihn alles andere als lustig waren.

Ruhrpottidylle

Jeder, der Hape Kerkeling aus dem Fernsehen und seinem Jakobsweg-Film kennt, erwartet bei dem Titel „Der Junge muss an die frische Luft“ eine Selbstporträtierung des Künstlers, die ideal für die mediale Ausgestaltung eines Samstagabends sein könnte: Eine große Portion Selbstironie, eine unkomplizierte Handlung und einige interessante, aber lustige Hintergrundinformationen, die das Kerkeling-Bild komplettieren. Wer mit dieser Erwartung an den Film herantritt, wird enttäuscht werden.

Alles beginnt im Ruhrpott. Die ersten Szenen des Films zeigen Hape wohlbehütet zwischen seinen Eltern, seinem älteren Bruder und den Großeltern in Recklinghausen. Ein Umzug steht an, der die kleine Familie von den väterlichen Großeltern zu den mütterlichen Großeltern führen soll. Aufgeschlossen und liebevoll verbringt Hapes Familie viel Zeit mit den Verwandten, was nicht selten in einer feuchtfröhlichen Party in einer der Wohnungen endet. Seine Oma Änne führt einen kleinen Laden, in dem es allerhand zu kaufen gibt und die unterschiedlichsten Menschen anlockt. Schon mit acht Jahren beobachtet der kleine Hape ganz genau, wie sich die Leute in dem Laden verhalten und unterhält seine Großmutter damit, die Macken und Eigenarten der Kundschaft zu imitieren.

Der Tod der Mutter

Doch die perfekte Familienidylle erhält im Laufe des Films immer mehr Blessuren. Die Sollbruchstelle ist die Mutter, die überfordert ist mit der Erziehung der beiden Söhne und dem Haushalt. Während ihr Mann wochenlang auf Montage ist, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand. Eine Kieferhöhlenoperation, die nicht nach Plan verläuft, und somit nicht die erhoffte Linderung ihrer Beschwerden mit sich bringt, verstärkt ihre psychische Labilität und zieht sie in den dunklen Sog ihrer Depressionen. Immer schwerer wird es für Hape, seiner Mutter ein Lachen abzuringen.

Mit einer Überdosis an Medikamenten nimmt die Mutter sich eines Abends das Leben. Hape schläft neben ihr ein und begreift den Ernst der Lage erst, als der Vater am nächsten Morgen das Schlafzimmer betritt und den Krankenwagen ruft. Doch jede Hilfe kommt zu spät. Die Beerdigung hält der kleine Komiker kaum aus und verkriecht sich während der Zeremonie auf dem Friedhof.

Familiäre Unterstützung

Das Leben geht aber weiter! Nach dem tragischen Tod der Mutter wird Hape von seinen Großeltern aufgezogen, die sich liebevoll und fürsorglich um ihn kümmern. Auch Tanten, Onkel, Großtanten und andere Familienmitglieder bestärken ihn in seinem Tun, motivieren ihn, im Schultheater mitzuspielen, in dem er aus Nebenrollen die lustigsten Figuren zaubert und geben ihm jeglichen Freiraum, sich in die Richtung zu entwickeln, in die er möchte und die ihn letztendlich zu dem Hape Kerkeling gemacht hat, wie wir ihn heute kennen.

Humor als tragende Säule der Resilienz

Kaum eine Definition von Humor passt so gut zu Hapes Leben wie die des Schriftstellers Otto Julius Bierbaum: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Schon als Kind schien es dem Komiker leicht zu fallen, sich nicht in seinen Sorgen und Nöten zu verlieren. Sein Humor half ihm, eine gewisse Distanz zu den Erlebnissen aufzubauen, die so manch anderen ein Leben lang aus der Bahn werfen könnten. Es wurde getrauert, wieder aufgestanden, weitergelebt und gelacht. Humor ist eine Form von Reflexion. Wenn man über Missgeschicke oder Schwierigkeiten lachen kann, muss man sich zunächst von der Sache, über die gelacht wird, emotional distanzieren können. So kann man mit einer gewissen Gelassenheit auf Geschehenes blicken und darin das Komische sehen. Doch wie ist das möglich, sich solch einen „Airbag“ aus Humor aufzubauen, der einen nach einem Schicksalsschlag wieder ins Leben schleudert?

Wie im Verlauf des gesamten Films gezeigt wird, ist Hape mit vielen unterschiedlichen Bezugspersonen aufgewachsen, die ein enges Netz aus Selbstvertrauen, Zuversicht, Liebe und Humor um ihn spannen. Spezielle Charaktere in seinem Umfeld verschaffen ihm diesen besonderen Blickwinkel auf das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Sie dienten ihm nicht nur als Inspirationsquelle für seine Sketche, sondern zeigten ihm auch Wege auf, wie man seinen Humor nutzen kann, um dunkle Zeiten wieder mit Licht zu füllen. Probleme, Ängste und Sorgen haben wir alle – einige mehr und andere weniger. Doch ist es nicht auch die Herangehensweise, die über die Stärke eines Problems bestimmt? Die Fähigkeit, sich nicht in dunklen Gedanken zu verlieren und sie mit dem gewissen Augenzwinkern betrachten zu können, ist ungemein kostbar und entscheidet manchmal sogar über einen glücklichen Lebensverlauf oder eben keinen. Gegen Depressionen gibt es sogar Humortrainings, die genau diese Resilienz aufbauen sollen.

Warum empfehlenswert?

Dieser Film macht deutlich, wie Menschen aus dem gleichen Haushalt doch ganz unterschiedlich auf die Dinge blicken können: Eine Mutter, die unter starken Depressionen leidet, aber einen erfolgreichen Komiker großzieht, gestützt durch einen engen familiären Zusammenhalt. Über sich selbst lachen zu können, wurde Hape von seiner Familie in die Wiege gelegt. Jede einzelne Bezugsperson von ihm hat seine Eigenarten, über die herzlich und liebevoll gelacht wird. Auch ein kleiner Junge, der sich zum Karneval gerne als Frau verkleidet, wird herzlich belächelt, aber an seiner Daseinsberechtigung – mit allen Macken und Besonderheiten – wird nicht gekratzt. Ist es vielleicht diese ehrliche Toleranz in Kombination mit Liebe, die Menschen auflachen lässt, die ein Urvertrauen in die Menschheit schafft, dass das Lachen übereinander nicht boshaft sein muss?

Diese Stimmung zieht sich wie ein roter Faden durch den Film und führt den Zuschauer durch ein Wechselbad der Gefühle. Unglaublich bitter traurige Momente werden von einem ruhrpottigen Humor abgelöst und andersherum. Es ist das Leben, was hier gezeigt wird: bunt, abwechslungsreich, mal traurig, mal lustig – und all seine Facetten sind mit der nötigen Prise Humor am erträglichsten.    

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Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=dD4csmcYImk&ab_channel=GianLucaBrauchGianLucaBrauch

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