Stillstand-Was tun, wenn es nichts zu tun gibt?

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Mit einem heftigen Stoß wurden viele in den letzten Tagen aus ihrem Hamsterrad herausgeworfen. Der ewig sich wiederholende Alltag, das stets gleiche Beklagen über die Arbeit, Schule oder Universität, das schlechte Gewissen, wenn man das teuer bezahlte Fitnessstudio nicht besucht, versiegen in einer überraschenden Ratlosigkeit. Zuhause soll man bleiben, möglichst wenig vor die Tür und soziale Kontakte meiden. Man mag es kaum glauben, aber das Nichtstun scheint für viele eine größere Herausforderung zu sein als der verhasste Arbeitsalltag. Was soll man auch tun, wenn es nichts zu tun gibt?

Keine Beschäftigungsmöglichkeiten

Wir alle sind es gewohnt, täglich mit einer Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten konfrontiert zu werden: Heute Abend ein Bier im Pub? Vielleicht doch lieber ein Konzertbesuch? Oder das Angebot des Wellnesshotels nach einer anstrengenden Arbeitswoche endlich einmal wahrnehmen! Von einem Tag auf den anderen wurden wir all dieser Möglichkeiten beraubt. Auch das Arbeiten erfolgt für die meisten nur noch in abgespeckter Homeoffice-Variante oder sogar gar nicht. Selbst ein gemütliches Sit-in unter Freunden könnte momentan zu weiteren Ansteckungen führen. Sämtliche beliebte Möglichkeiten der Zerstreuung sind uns untersagt und sorgen in vielen Wohnzimmern für Langeweile, Frust und Panik vor der Einsamkeit.

Der Wert des Alleinseins

Ganz anders hätten viele Philosophen die aktuelle Zwangsquarantäne betrachtet. Schon in der Antike galt das Alleinsein als wertvolle Möglichkeit der Kontemplation. Nur in der Einsamkeit könne man seine eigene Stimme hören und den Gedanken Raum geben. Hannah Arendt ging sogar so weit, dass sie nur denen die Fähigkeit zum klugen Denken zuschrieb, die dazu in der Lage seien, die Einsamkeit auszuhalten. Die meisten großen Denker bevorzugten daher das Leben in der Zurückgezogenheit und lebten nicht selten fernab von der Gesellschaft in Waldhütten oder anderen Rückzugsorten, um dort ihren persönlichen Denkraum zu schaffen.

Selbstwert ohne Außenwirkung?

In der heutigen Kultur der Aufmerksamkeit ist das ein Wunsch, den man selten hört. Wir wollen uns vergleichen, Anerkennung von der Außenwelt erhalten und mit den neusten Trends Aufsehen erregen. Für den außergewöhnlichsten Lebensstil, der sich durch vermeintlich individuelle Fotos in den sozialen Netzwerken dokumentieren lässt, gibt es zur Belohnung Likes. Diese Likes sind die Währung der heutigen Zeit. Nur die zeigen uns, wie spannend unser Leben ist, wie viele Menschen zu unseren Bewunderern gehören und wann wir den Trend einmal verfehlt haben. Diese Währung ist nun leider zusammengebrochen. Auch die erfolgreichsten Influencer werden auf Dauer mit Posts ihrer Kaffeetasse oder ihrer wohl sortierten Müslischale für wenig Aufsehen sorgen. Das Leben wird für den Großteil der Bevölkerung in den nächsten Wochen schlichtweg eintönig und langweilig. Eine leise Stimme im Hinterkopf stellt sich nun die Frage, wer man eigentlich sei, welchen Wert man habe, wenn es niemanden gibt, der einen bewertet.

Sich neu entdecken

Vielleicht versteckt sich in der Quarantäne aber auch mehr Potenzial, als wir uns momentan vorstellen können. Eine Zeit ohne Vergleiche, ohne Termindruck, ohne Urlaube in stickigen Hotelhochburgen, mit besserer Luft, weniger Verkehrslärm und mit Zeit zum Träumen. Seid frei und nutzt die Atempause, um vielleicht der Kreativität freien Lauf zu lassen. Denkt nach! Hinterfragt euer Leben und horcht in euch, ob das, was bisher war, so bleiben soll. Geht Schreibprojekte an! Musiziert! Lest endlich das Buch, wovon euch die Müdigkeit des Alltags sonst abhält! Lebt euch aus in der Gestaltung eurer Wohnungen und Häuser! Kocht endlich mal die Gerichte, die ihr schon immer einmal ausprobieren wolltet! Malt! Schon Arthur Schopenhauer sagte: „Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit; denn nur wenn man allein ist, ist man frei!“ Genießt also eure Freiheit und seid ihr selbst. Oder findet heraus, wer das selbst überhaupt ist…

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