Die Top 5 der denkbar lesenswertesten Bücher für gemütliche Herbsttage

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Die Blätter verfärben sich, die Tage werden kürzer und die ersten Schornsteine dampfen wieder – Der Herbst, die gemütliche Jahreszeit, ist im vollen Gange. Die langsam kälter werdenden Tage sorgen dafür, dass man sich wieder gerne drinnen aufhält und ganze Abende und Wochenenden mit Tee, Wolldecke und einem guten Buch auf dem Sofa verbringt. Doch die Auswahl an Büchern ist groß. Unsere fünf Empfehlungen sollen euch dabei helfen, den passenden Roman für euer ultimatives Herbst-Sofa-Erlebnis zu finden.

Ein wenig Leben (2015) von Hanya Yanagihara

Auf dem Klappentext dieses 958 Seiten starken Buches wird The New Yorker mit den Worten zitiert: „Yanagiharas Roman kann dich verrückt machen, verschlingen und von deinem Leben Besitz ergreifen.“ Das erschien mir vor dem Lesen etwas hoch gegriffen. Auch die ersten zwei Kapitel wirkten auf mich eher harmlos, wenn auch interessant. Man wird in die New Yorker Künstlerszene eingeführt, begleitet vier Freunde, bekommt Einblicke in ihre Leben. Doch dann nimmt die Geschichte plötzlich Fahrt auf und es passiert tatsächlich genau das, was der Kritiker des New Yorker beschrieb.

Dies ist eine Geschichte über sexuellen Missbrauch, darüber, wie eine solche Erfahrung in Kindertagen ein ganzes Leben zerstören kann. Yanagihara erzählt schonungslos ohne voyeuristisch zu sein. Es gab Phasen, in denen ich mit Tränen in den Augen weiterlesen musste, in denen ich nachts nicht schlafen konnte, weil mich dieser Roman so aufgewühlt hat und dennoch konnte ich nicht aufhören zu lesen.

Es ist bemerkenswert, wie gut sich Yanagihara als Frau in diese vier Männer hineinversetzen kann. Ihre Geschichte ist oft unglaublich, aber nie unglaubwürdig und lässt nur erahnen, was möglicherweise hinter einigen sauberen Fassaden auf dieser Welt geschieht…

Kurz: Dies ist kein Lesevergnügen im eigentlichen Sinne, aber eine hervorragend erzählte Geschichte, die man vermutlich noch lange mit sich herumtragen wird.

(Buchempfehlung von Birgit Steinborn)

Ein wenig Leben

Die Zeit des Lichts (2019) von Whitney Scharer

Die Zeit des Lichts entführt den Leser nach Paris in den 1930er Jahren. Paris ist die Stadt der Künste und vibriert vor Lebendigkeit und verrückten Ideen. Auf den Bühnen der Stadt sieht man zwar (oft nur knapp bekleidete) Tänzerinnen, insgesamt ist die Bohème jedoch eindeutig männlich dominiert.

Der biographisch geprägte Roman erzählt diese spannende Zeit aus der Sicht von Lee Miller, einer jungen Amerikanerin, die ihre Modellkarriere in New Yorker beendet, um ihr Glück in Paris zu finden und dabei nicht mehr vor der Kamera zu stehen, sondern selbst die Stadt durch den Sucher einer Kamera zu entdecken. Dabei trifft sie auf den berühmten Fotokünstler Man Ray. Sie wird zunächst seine Assistentin, dann seine Geliebte. In beiden Rollen lernt sie stetig dazu, während Man Ray sie vergöttert – vor allem als Frau. Sie als Künstlerin ernst zu nehmen, fällt ihm sichtlich schwer, obwohl Miller sich als sehr begabt herausstellt.

Für sie beginnt bald eine Zeit der Emanzipation, in der sie dafür kämpft, als eigenständige Künstlerin wahrgenommen zu werden anstatt immer nur die Partnerin des großen Man Ray zu sein. Für ihr Ziel muss sie einiges aufgeben. Trotzdem lässt sie sich nicht beirren und bleibt noch lange als Fotografin erfolgreich.

Im zweiten Weltkrieg begleitete sie im Auftrag der britischen Vogue amerikanische Truppen beim Vormarsch von der Normandie über Paris bis nach Thüringen und weiter an die Elbe bis nach Torgau. Auch davon erzählt der Roman in kurzen eingestreuten Kapiteln und zeigt ihre anhaltende Unerschrockenheit sowie ihren Ehrgeiz für ein gutes Foto.

Das Museum für Gestaltung in Zürich zeigt noch bis zum 3. Januar 2021 Millers Fotografien. Vielleicht eine gute Ergänzung zu diesem mitreißenden Roman.

(Buchempfehlung von Birgit Steinborn)

Die Zeit des Lichts

Elena Ferrantes Tetralogie Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege, Die Geschichte des verlorenen Kindes (2011-2014)

Diese Empfehlung umfasst nicht nur ein Buch, sondern gleich vier. Wenn man den ersten Band dieser Geschichte gelesen hat, wird man definitiv auch die folgenden drei lesen wollen. Ferrante erzählt hier die Geschichte einer Freundschaft, die in einem ärmlichen Viertel in Neapel spielt. Im Laufe der vier Bände werden die beiden älter und durchlaufen zahlreiche Höhen und Tiefen. Ferrante hat keine Angst davor, alles auszusprechen, was eine Frauenfreundschaft belasten kann. Das Spiel zwischen Distanz und Nähe der beiden Protagonistinnen schlängelt sich durch die Tetralogie und wird durch Eifersucht, Umzüge, Vertrauensmissbrauche und unterschiedliche Bildungsgrade beeinflusst. Doch ihr gemeinsamer Nenner, das Aufwachsen in einem Elendsviertel in Neapel und der Wunsch nach einem besseren Leben, führt die beiden immer wieder zusammen.

Der Schreibstil der italienischen Autorin ist einzigartig und lässt einen in die düsteren Baracken von Neapel in den 50er Jahren eintauchen. Ich litt mit Elena und Lila, bewunderte ihren Mut, störte mich an ihrer Starrköpfigkeit und feierte mit ihnen ihre Erfolge. Die komplexen Charaktere der Figuren, die im Verlauf ihres Lebens zahlreiche Veränderungen durchlaufen, sind so authentisch beschrieben, dass ich am Ende fast glaubte, selbst ein Teil dieser komplizierten Freundschaft zu sein.

(Buchempfehlung von Frederike Jesse)

Neapolitanische Saga (4 Bände) - Ferrante, Elena

Der Gesang der Flusskrebse (2019) von Delia Owens

1952: Kya Clark lebt mit ihrer Familie im Marschland der Küstenstadt Barkley Cove. Mit nur 6 Jahren wird sie von ihrer Familie dort zurückgelassen und muss sich allein durchkämpfen. Jede Mahlzeit verlangt von ihr viel ab, doch sie schafft es, zu überleben. Im Laufe der Jahre wächst sie mit der Natur immer mehr zusammen und macht sie zu ihrem Freund. Den Kontakt zu Menschen scheut sie. Lediglich einen alten Freund ihres Bruders lässt sie an sich heran, der ihr das Lesen und Schreiben beibringt.

Als junge Frau reift sie immer mehr zu einer Künstlerin heran, die durch detailgenaue Zeichnungen alles dokumentiert, was sie in ihrem Reich entdeckt. Auch ihr Äußeres findet bei vielen Männern Anklang. Doch eines Tages begegnet sie Chase Andrews, der kurz danach in der Marsch tot aufgefunden wird. Der Verdacht fällt schnell auf die wilde Schönheit und eine Hetzjagd nimmt ihren Lauf.

Der Gesang der Flusskrebse ist eine Geschichte, die einen von der ersten bis zur letzten Seite packt. Ein Familiendrama gepaart mit einem Kriminalroman, der Bilder von einer gewaltigen Natur im Kopf entstehen lässt. Kaum ein Buch bietet sich wohl besser für ein Wochenende auf dem Sofa an.

(Buchempfehlung von Frederike Jesse)

Der Gesang der Flusskrebse - Owens, Delia

Unterleuten (2016) von Juli Zeh

Unterleuten, ein unscheinbarer Ort in Brandenburg, reizt so manch einen Landfluchtromantiker aus der Großstadt. Ein uriges Dorfleben verspricht die Fassade, aber der Schein trügt. Nachdem eine Investmentfirma einen Windpark in der Nähe der Wohnsiedlung errichten will, brechen Streitigkeiten unter den Dorfbewohnern aus. In den Konflikten lassen sich nahezu alle gesellschaftlichen und politischen Probleme wiederfinden, mit denen sich Deutschland momentan auseinandersetzt.

Juli Zeh ist hier ein spannender und vielschichtiger Gesellschaftsroman geglückt, der mit einer beißenden Kritik, aber auch dem nötigen Humor, uns den Spiegel vorsetzt. Mit Präzision trifft sie jede Schwäche unserer Gesellschaft und verpackt dieses auch noch in einen mitreißenden Roman. Hier treffen Soziologie, Philosophie, Politik und Erzählkunst aufeinander. Ich bin und bleibe ein großer Fan von Juli Zeh.  

(Buchempfehlung von Frederike Jesse)

Juli Zehs „Unterleuten“: Die Hölle, das sind die anderen – Zeilensprünge.

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