Shameless: Sozialdrama trifft auf Komödie in einer TV-Serie

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Im Grunde genommen bieten die äußeren Umstände der Familie Gallagher wenig zum Lachen: Sie leben in dem von Armut und Kriminalität geprägten Gebiet South Side in Chicago, die Eltern sind beide drogen- und alkoholabhängig und das Geld fehlt an allen Ecken und Kanten. Dennoch wissen sich die sechs Kinder zu helfen. Dass das auch mit Humor und zahlreichen gewitzten gesellschaftskritischen Seitenhieben gelingt, macht die Serie Shameless deutlich.

Shameless– eine schamlose Familie

Doch wer sind diese Gallaghers eigentlich? Lip, Ian, Carl, Debbie, Liam und die älteste Tochter Fiona, die gezwungenermaßen die Mutterrolle für die fünf jüngeren Geschwister übernommen hat. Ach ja, und dann wäre da noch Frank, der Vater, der nicht so richtig die Verantwortung für seine zahlreichen Kinder übernehmen möchte, sondern lieber die Sozialhilfe in Alkohol und Drogen investiert. Selten weiß man, wo er sich herumtreibt, und manchmal taucht er komatös auf dem Küchenboden wieder auf. Die bipolare Mutter Monica lässt sich nur selten blicken und wenn sie es tut, dann versinkt sie die meiste Zeit mit ihrem Ex-Mann Frank im Drogenrausch.

Jeder einzelne Gallagher ist eine Type für sich: Lip ist hochbegabt, hat ein Alkoholproblem und nutzt seine Intelligenz lieber für kleinkriminelle Machenschaften als für gute Abschlüsse. Carl zeichnet alle Staffeln eine besondere Vorliebe für Gewalt aus, während seine jüngere und fürsorglichere Schwester Debbie hin und wieder dafür sorgt, dass ihr versoffener Vater Frank zumindest ein Kissen unter dem Kopf liegen hat, wenn er wieder einmal seinen Rausch ausschläft. Und dann wäre da noch der bipolare Ian, der zunächst unter seiner Homosexualität leidet, aber in den fortschreitenden Staffeln sich immer mehr zur Ikone einer homosexuellen Bewegung entwickelt und sich als „gay Jesus“ fanatisch für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt. Liam ist das Nesthäkchen der Familie und fragt sich im Fortlauf der Serie, warum er das einzige dunkelhäutige Kind der Gallaghers ist.

Shameless' Season Nine Episode Eight Recap: Fiona Boozing Like Frank
Frank auf dem Küchenboden

Kreativität und Intelligenz als Retter in der Not

Auch wenn sich diese Familie in einer denkbar schlechten Ausgangsposition befindet, weiß sie sich meist zu helfen. Die Herangehensweise ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber man lernt im Laufe der Serie die Handlungen anders zu interpretieren, denn dumm sind die Charaktere alle nicht. Unkonventionelle, kreative und pragmatische Lösungen sind das Spezialgebiet der Gallaghers und diese sind meist nur zu finden, wenn man über einen gewissen Erfindungsreichtum verfügt.

Moralisch sind diese Lösungsansätze vielleicht nicht immer einwandfrei, aber kann man das einer Familie vorwerfen, die am sozialen Abgrund steht? So wird kurzerhand eine ältere Dame aus dem Pflegeheim entführt, als ein Kontrolltermin der Behörde ansteht, da die Tante von Frank, über die die Familie Sozialhilfe bezieht, bereits seit mehreren Jahren tot ist.

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Fiona und Liam

Gesellschaftskritik und ein Hoch auf den Liberalismus

Nicht selten wird der amerikanischen Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten: Keine obligatorische Krankenversicherung und kaum Sozialleistungen lassen die ärmer gestellten Familien häufig vor dem Abgrund stehen. Die Konsequenzen, die dieses kaum vorhandene Sozialsystem mit sich zieht, macht die Familie Gallagher deutlich, denn gesetzeskonformes Verhalten scheint ein Privileg der Wohlhabenden in den Staaten zu sein.

Das rohe Leben der Gallaghers mag den einen oder anderen Zuschauer abschrecken. Wer sich aber von dem ersten Eindruck nicht beirren lässt, wird die tieferen Schichten dieser Serie erkennen. Neben einer handfesten Kritik an der Waffenlobby in den USA, mangelnden Sozialleistungen und Gentrifizierung wird auch immer wieder deutlich, dass diese Probleme aus dem Liberalismus entstehen, der aber auch so einige Vorteile birgt. Kaum ein Land hat so wenig Angst vor dem Scheitern wie die USA.

Die sozialschwache Familie zeigt in jeder Folge wie schnell man in den USA am Boden sein kann, aber auch wie viele kreative Möglichkeiten es gibt, um sich wieder aus der Niederlage hochzuarbeiten. Wahrscheinlich ist es genau diese Herangehensweise, die ein Sozialdrama zu einer Feel good-Serie machen kann: Dem Zuschauer stets das Gefühl zu vermitteln, dass Probleme und Stürze auch Energien freisetzen können, neue Wege zu gehen und der Wille, die Dinge anzupacken und verändern zu wollen, eigentlich genau das ist, worauf es im Leben ankommt. Der Liberalismus bietet den idealen Nährboden für Anpacker-Familien wie die Gallaghers.

Warum sehenswert?

Die Serie ist nichts für schwache Gemüter, denn Sexszenen folgen auf Drogentrips, die nicht selten damit enden, dass Vater Frank in seinem eigenen Erbrochenen in irgendeinem Winkel des chaotischen Hauses aufwacht. Es wird nichts verblümt. Die Unterwäsche ist vergilbt, Make-up verschmiert, Haare auch mal fettig und alles ist von einer gewissen dreckigen Kruste abgedeckt, sowohl in physischer als auch moralischer Hinsicht. Doch bietet genau dieser Bruch mit den herkömmlichen amerikanischen Serien den wahren Mehrwert von Shameless. Weich gezeichnete und top gestylte Charaktere haben wenig mit der Realität zutun und sind zudem doch auch irgendwie langweilig. Die fast schmerzende Authentizität dieser Serie bietet eine erfrischende Abwechslung zu den „Heile Welt“-Szenarien, von denen der Markt bereits doch so gesättigt ist.

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Uht2FOepUUg

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