Der Rausch: Mit 0,5 Promille zum Glück

Der norwegische Psychiater Finn Skårderud solle die These aufgestellt haben, dass der Mensch mit 0,5 Promille zu wenig Alkohol im Blut auf die Welt gekommen sei. An einem feuchtfröhlichen Männerabend von vier Lehrern wirft einer diese Theorie in den Raum und lädt seine drei Freunde dazu ein, diese Erkenntnis am eigenen Leibe auszuprobieren: Jeder der vier Lehrer solle über einen gewissen Zeitraum den ganzen Tag einen konstanten Pegel von 0,5 Promille halten und reflektieren, wie sich das eigene Leben dadurch verändert. Schließlich haben zahlreiche berühmte Dichter und Denker den ganzen Tag getrunken und Wunder vollbracht! Was ist an dieser Theorie dran?

Trinken gegen den Lehreralltagsblues

Wie in jedem guten dänischen Film spielt Mads Mikkelsen den Protagonisten Martin. Martin kämpft nicht nur um die Aufmerksamkeit seiner desinteressierten Schüler, sondern auch um die seiner Frau. Er wirkt wie ein Mann, der seine besten Jahre bereits hinter sich hat. Trostlos trottet er durch sein Leben und scheint gefangen in seiner Haut zu sein. Rausch und Ekstase verbietet er sich aus Angst vor dem Kontrollverlust.

 Auf einer Geburtstagsfeier eines befreundeten Kollegen wird auf einmal über die mysteriöse These des norwegischen Psychiaters Finn Skårderud gesprochen und folgende Frage steht im Raum: Wie wäre das Leben, wenn man stets einen Pegel von 0,5 Promille hätte? Tommy, Nicolai, Peter und Martin beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen und es auszuprobieren.

Gesagt getan, am nächsten Morgen starten die vier Kollegen mit einem Schwips in den Schulalltag. Auf einmal ist sie da, die Lockerheit und Coolness, die man sich so viele Jahre gewünscht hat und die prompt von der Schülerschaft mit Aufmerksamkeit belohnt wird. Der leichte Pegel macht mutig, enthusiastisch und gute Laune, also all das, was man benötigt, um pubertierende Klassen zu motivieren. Auch Martins Ehe erhält wieder Rückenwind.

Das richtige Maß

Zunächst scheint es keine Zweifel an Skårderuds These zu geben. Von jedem der vier Freunde verbessert sich das Leben signifikant durch das Trinken. Penibel achten sie am Anfang darauf, dass es stets bei 0,5 Promille bleibt. Doch wie so viele vor ihnen schon dachten, dass sie stets das richtige Maß halten können, entgleitet auch den vier Lehrern die Kontrolle über den Konsum. Wöchentlich wird der Konsum hochgeschraubt, um die Gewohnheit an den alten Pegel zu umgehen. Es sei immerhin nur ein wissenschaftliches Experiment und da sollte auch eine höhere Promillegrenze ausgelotet werden.

Während das wenige Trinken zu Anfang nur positive Auswirkungen hatte, machten sich mehrere Schnäpse im Alltag durchaus negativ bemerkbar. Ein Stolpern, ein Lallen und den euphorischen Eindruck, den die vier zu Anfang gemacht haben, kippt langsam und fällt im Kollegium auf. Immer mehr geraten sie in den Sog des Alkoholkonsums und die Grenzen zwischen Experiment und Sucht verschwimmen langsam im Schnaps.

Das Leben im Rausch

Die alles überschattende Frage dieses Films ist wohl die nach einem gelingenden, zufriedenstellenden Leben. Was muss man tun, damit man so etwas wie Freude am Leben empfindet? Die Ausgangsposition der Männerclique könnte ernüchternder kaum sein. Nach außen hin haben sie das, was der normale Bürger unter Glück versteht: Ein Haus, einen sicheren Beruf, Familie. Doch der Alltag legt sich wie eine Schlinge um sie. Das Großziehen von kleinen Kindern, Ehen, aus denen die Luft raus ist und Einsamkeit lässt wenig Raum für Glücksempfindungen. Die Grundlage könnte also nicht besser sein, um das Experiment zu wagen.

Der Alkohol flößt den vier müden Lehrern wieder Leben ein. Auf einmal sieht der graue Alltag doch nicht mehr so farblos aus wie zuvor. Das wachsende Selbstbewusstsein scheint alles zu verändern. Beruflich und privat werden von uns Entscheidungsfreudigkeit, Mut und das damit verbundene Selbstvertrauen abverlangt. Nur so befreit man sich aus dem Modus, in dem man das Leben über sich ergehen lässt. Ein Rausch wirkt dabei wie ein Medikament gegen Alltagsmüdigkeit.

Sehbar?

Der oscarprämierte Film vom dänischen Regisseur Thomas Vinterberg ist eine Komödie mit Drama – oder andersherum: Ein Drama mit Humor. Ich weiß es nicht. Aber so ist es ja häufig mit den dänischen Filmen. Die Kamera scheut nicht, die tiefen Furchen in dem Gesicht des müden Martins zu zeigen, der in einem klassischen Schulalltag resigniert – resigniert im Kampf um seine Würde. Es ist ganz viel Wirklichkeit, die hier dargestellt wird, die die Figuren und Kulissen glaubwürdig machen. Ein jeder kann sich in das Leben der Protagonisten hineinversetzen.

Es geht nicht darum, dass der Film Alkohol als ultimative Lösung für ein glücklicheres Leben sieht, sondern vielmehr den Placebo-Effekt, den dieser hat. Im Grunde genommen sind wir unseres eigenen Glückes Schmied und brauchen kein derartiges Experiment, um unser Leben aus Routinen und Langeweile zu befreien. „Der Rausch“ motiviert vielmehr, mehr zu wagen, erhobenen Hauptes durchs Leben zu gehen und vieles nicht zu ernst zu nehmen. Und da wir alle von dieser Botschaft nie genug bekommen können, ist dieser Film eine absolute Empfehlung.

Link zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=QK2hGX7U508&ab_channel=KinoCheck

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