Im Winter Schnee, nachts Sterne von F.Geda und E. Akbari: Über das Ankommen

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Wer Im Meer schwimmen Krokodile mit Spannung gelesen hat, will sicherlich mehr über den jungen Afghanen erfahren, der nach einer anstrengenden Flucht endlich in Italien landete. In Im Winter Schnee, nachts Sterne ist die Fortsetzung von Enaiatollahs Geschichte, die in Italien beginnt. Mit zehn Jahren flüchtete er vor den Taliban allein nach Europa und schrieb mit dem Schriftsteller Fabio Geda seine Geschichte auf. Sie wurde ein Beststeller und erleichterte Enaiat das Ankommen in Europa. In dem neuen Buch, das aus der Freundschaft des Schriftstellers und dem jungen Afghanen entstanden ist, geht es um das Ankommen, das Wiederentdecken der eigenen Wurzeln und jeder Menge Bürokratie.

Vorgeschichte

Es ist nicht zwingend notwendig, den ersten Roman „Im Meer schwimmen Krokodile“ zu lesen, um den neuen Roman von Fabio Geda und Enaiatollah Akbari zu verstehen. Im ersten Kapitel wird zusammenfassend auf die Odyssee, die Enaiat auf sich genommen hat, um nach Europa zu flüchten, eingegangen. Durch zahlreiche glückliche Zufälle erreichte er Italien und entrann mehrmals dem Tod. Auch wenn er selbst Glück hatte, so wird auch deutlich, dass es viele seiner Weggenossen nicht geschafft haben. Der erste Teil machte insbesondere im Zuge der Flüchtlingswelle deutlich, was die Menschen auf sich nehmen, um vor den nicht lebenswerten Umständen ihrer Heimat zu fliehen.

Endstation Italien und Besuch in Pakistan

Als Jugendlicher landet er in Italien und beginnt dort ein neues Leben. Während er Schulabschlüsse nachholt, arbeitet er in verschiedenen Nebenjobs, um Geld für seine Familie in Afghanistan zu sparen. Auch wenn er zu dieser erst nach einigen Jahren wieder Kontakt herstellen konnte. Sein Fleiß zahlt sich aus: Er wird an einer Uni zu einem Studium in Politikwissenschaften zugelassen und arbeitet dort nebenbei als Lagerist. Sowohl sein Job als auch das Geld, was durch den ersten Romanerfolg in seine Kassen gespült wird, kann er seiner Mutter und seinen Geschwistern weiterhin finanzielle Unterstützung bieten.

Doch die Sehnsucht nach seiner alten Heimat nagt stets an ihm. So träumt er davon, eines Tages nach Afghanistan zurückzukehren und sein politisches Wissen dort einzubringen. Als seine Schwester das fünfte Mal in Pakistan schwanger wird und ihr Mann aus beruflichen Gründen nicht bei ihr sein kann, sieht Enaiat diese Umstände als Grund genug, um seine Familie endlich wiederzusehen. Ein bürokratischer Kampf beginnt, der sich über Monate zieht. Doch eines Tages ist es so weit und ein Wiedersehen in Pakistan berührt den Geflüchteten zutiefst.

Dort darf er Zeuge von dem Wunder der Geburt des ersten Sohnes seiner Schwester werden. Liebevoll wird er von ihren vier Töchtern aufgenommen und trotz mangelnder Grundversorgung wird ihm eines bewusst: Man kann sich zwar in einem anderen Land heimisch fühlen, aber die Geborgenheit der eigenen Familie ist unersetzlich. Schwer kann er sich von dieser Verbundenheit lösen und verlängert seine Aufenthaltsgenehmigung. Auch wenn er sich vehement gegen die Traditionen seiner Kultur wehrt, merkt er immer mehr, dass Italien seine Wurzeln nicht in ihm kappen konnten und findet sein Glück in den eigenen Reihen.

Bürokratischer Dschungel

Was in diesem Roman besonders deutlich wird, ist die größte Hürde, die einem als Mensch in einem anderen Land gestellt wird, die Bürokratie. Weder das Ankommen in der Fremde noch die Rückkehr in die Heimat wird einem als Flüchtling leicht gemacht. Paradoxe Forderungen und Korruption verbauen einen auf jegliche erdenkliche Weise die Bewegungsfreiheit. Auch wenn der bittere Beigeschmack in Enaiats Erzählung mitklingt, so schafft er es mit der nötigen Prise Humor und unerbittlicher Beharrlichkeit seine Ziele zu erreichen.

Kann man an mehreren Orten zuhause sein?

Vor Armut, den Taliban und geringen Bildungschancen floh Enaiat. Doch zurück blieb seine Familie, Spiele, die die Kinder nur in Afghanistan spielen, der Geruch von landestypischen Speisen, der seine Kindheit erfüllte, der alles durchdringende Staub einer trockenen Landschaft. All das war seine Kindheit und somit seine Wurzeln, die er mit seiner Flucht hinter sich ließ. Ihn erwartete Sicherheit, Bildung und finanzielle Unabhängigkeit in Italien und Freunde, die ihm stets das Gefühl gaben, willkommen zu sein. So lässt sich ein neues Leben leicht anfangen und am Beispiel von Enaiat wird deutlich, dass man sich auch ein fremdes Land zur Heimat machen kann.

Die Wurzeln aber sind nie in Gänze abzuschütteln. Auch ein so vorbildhafter integrierter Flüchtling kann nicht leugnen, dass die Kultur, die einem von Geburt an umgeben hat, die ist, die einen am meisten geprägt hat. Immer wieder streut Enaiat in seinen Erzählungen erzieherische Mahnungen seiner Mutter ein, die immer noch einen starken Einfluss auf ihn haben. Sein Aufwachsen in einem Land, dass in all seiner Härte auch so einen reichen Schatz an Weisheit und Kultur birgt, hat ihm die Fähigkeit vermacht, resilient zu sein, eine derartige Flucht zu überstehen, mit seiner offenen, freundlichen und wissbegierigen Art, sich in einem anderen Land geborgen und beheimatet zu fühlen. Ja, man kann sich durchaus an mehreren Orten heimisch fühlen, solange man mit starken Wurzeln versorgt ist.

Lesenswert?

Auch wenn es nicht notwendig ist, um dieses Buch zu verstehen, würde ich jedem empfehlen, vorab „Im Meer schwimmen Krokodile“ zu lesen. Diese außerordentliche Flucht, die auf einer wahren Begebenheit beruht, ist spannend und macht neugierig auf das Leben, das Enaiat in Italien erwartet. Was mich im Lesefluss ein wenig gestört hat, war die chronologische Wiedergabe der Geschichte Afghanistans. Das hätte man besser mit dem Fließtext verweben können.

Dieses Buch kann zwar nicht an der Spannungskurve seines Vorläufers anknüpfen, aber das macht es nicht weniger interessant. Die schöne Sprache, verschafft dem Erzählten etwas Märchenhaftes, was zu der Geschichte gut passt. All das, was dem Protagonisten widerfahren ist, bewegt sich stets zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Glück und Pech, dem Schicksal und dem Gegebenen. Und ist es nicht das, was Märchen auszeichnet? –  Ein wenig Mystik, ein so glückliches Ende, das es einen kaum real erscheint und zahlreiche widrige Umstände.

Im Winter Schnee, nachts Sterne von Fabio Geda und Enaiatollah Akbari
224 Seiten
20 Euro

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