Eine autobiografische Trilogie von Tove Ditlevsen: Auf- und Abstiege einer Schriftstellerin

patrick-fore-0gkw_9fy0eQ-unsplash

Tove Ditlevsen war eine 1917 in Kopenhagen geborene Schriftstellerin, die als Sprössling einer Arbeiterfamilie anders war als ihre Kolleg*innen in den literarischen Kreisen ihrer Zeit. Sie widersetzte sich den scheinbaren Zwängen der Zeit, früh zu heiraten um Kinder zu bekommen und als Frau maximal einen gering bezahlten Bürojob auszuüben. Stattdessen lebte sie ein Leben von Höhen und Tiefen zwischen literarischen Misserfolgen und Erfolgen und an der Seite unterschiedlichster Männer, das im Jahr 1976 mit einem Suizid endete.

Kindheit: Wörter im Kopf

In ihrer schon in den 1970er Jahren geschriebenen und erst in diesem Jahr von Ursel Allenstein ins Deutsche übersetzten dreiteiligen Biografie erzählt sie mit eindringlicher und stark verdichteter Sprache zunächst von ihrer Kindheit. Diese war geprägt von beengten Wohnverhältnissen und einem unterkühlten Verhältnis zu ihren Eltern. Zudem fällt es ihr schwer, sich anderen Mädchen in ihrem Alter anzuschließen, weil sie sich schon früh anders fühlt und sich auch nach anderem sehnt.

Heimlich beginnt sie Gedichte zu schreiben, die ihr älterer Bruder eines Tages findet und die junge Tove dafür auslacht. Dieses sie sehr verletzende Ereignis stoppt aber nicht den Strom von Wörtern und Sätzen in ihrem Kopf, der einfach aufs Papier gebracht werden muss. So schreibt sie weiter.

Jugend: Wörter zu Geld machen

Im zweiten Band, „Jugend“, scheint Toves Wunsch, weniger aus der Reihe zu fallen, größer zu werden. Sie versucht, einen Freund zu finden, versucht, einen Haushälterinnen- und einen Bürojob auszuüben. Doch beides misslingt früher oder später und für sie wird die Frage, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, drängender.

Gleichzeitig knüpft sie in dieser Zeit aber auch erste zarte Bande mit literaturinteressierten Männern. Diese sind allesamt viel älter als sie, was Tove aber nicht stört, so lange sie mit ihnen über Gedichte und Prosa sprechen kann. Der Vorsitzende eines literarischen Zirkels, der 30 Jahre ältere Viggo F. Möller, wird 1939 sogar ihr erster Ehemann. Er vermittelt zunächst einige ihrer Gedichte und dann immer mehr ihres literarischen Schaffens an verschiedene Verlage und hilft ihr so, endgültig vom scheinbar vorgegebenen Lebensweg für junge Frauen dieser Zeit abzuweichen und mit dem Schreiben Geld zu verdienen.

Abhängigkeit: Sprachlosigkeit

Doch diese Ehe ist und bleibt eine platonische Verbindung, die Tove schon bald nicht mehr genügt. Was mit einigen Affären beginnt, endet schließlich in der Scheidung von Viggo. Im dritten Band, „Abhängigkeit“, erzählt sie davon, wie ihr Leben trotz des literarischen Erfolgs immer mehr aus dem Tritt gerät. Es folgen mehrere Ehen, Abtreibungen und auch geborene Kinder. Das Konglomerat dessen scheint ihr zunehmend über den Kopf zu wachsen.

Carl T. Ryberg, der ihr dritter Ehemann werden soll, ist Arzt und führt heimlich eine der Abtreibungen durch. Dafür verabreicht er ihr ein Schmerzmittel, von dem Tove in relativ kurzer Zeit abhängig wird. Ein Großteil des dritten Bandes erzählt davon, wie sich ihr Leben immer mehr um die nächste Spritze mit dem Schmerzmittel dreht, während der Strom aus Wörtern und Sätzen in ihrem Kopf immer weiter versiegt. Erst Victor Andreasen, der Freund eines Freundes, der später ihr vierter Ehemann wird, schafft es zum Ende der Trilogie, sie aus dem Teufelskreis der Medikamentenabhängigkeit zu befreien.

Lesenswert?

Obwohl alle drei Bände zusammen nur 445 Seiten haben, auf denen Ditlevsen gut 30 Jahre ihres bewegten Lebens erzählt, hat man beim Lesen das Gefühl, mindestens doppelt so viel gelesen zu haben. Ihre Sprache ist von einer Direktheit, die es möglich macht, in einem einzigen Satz so viel zu sagen, wie andere in drei oder vier Sätzen. Gleichzeitig kann man sich als Leser*in dieser Eindringlichkeit nicht entziehen, ist immer ganz dicht dran an Tove Ditlevsen – in guten und in schlechten Phasen ihres Lebens. Das macht diese Trilogie so mitreißend und lesenswert.

Tove Ditlevsen scheint zeit ihres Lebens eine Kämpferin gewesen zu sein – für ein selbstbestimmtes Leben, für ihren literarischen Erfolg und nicht zuletzt gegen ihre Abhängigkeit. Das macht sie zu einer starken, interessanten Frau, die durch die Übersetzung dieser Biografie zu Recht wieder ins literarische Gedächtnis zurückgeholt wurde.

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, dann vielleicht auch diese:

Hape Kerkelings Biographie: Wie Humor und Depressionen das Leben eines Komikers zeichneten

Jack Londons Martin Eden – Ein existenzialistischer Lebensentwurf

Schreibe einen Kommentar