Irland, 1923: Auf der kleinen Insel Inisherin am Rande Irlands lebt eine überschaubare kleine Dorfgemeinschaft ihr monotones, aber friedliches Leben. Man kümmert sich um die Landwirtschaft, grüßt freundlich und trifft sich abends im Pub zum Musizieren. Viel passiert nicht, was für den einfältigen Pádraic auch vollkommen in Ordnung ist. Doch eines Tages beendet sein bester Freund Colm die Freundschaft zu ihm, was für Unruhe auf der kleinen Insel sorgt.
Das Ende einer Freundschaft
Pádraic und Colm kennen sich schon seit langer Zeit. Die Routine der Inselmonotonie verlangt, dass sie sich jeden Vormittag im Pub treffen und ein Bier trinken. Dabei werden Banalitäten ausgetauscht. Pádraic erzählt viel von seiner Eselin, die er wie ein Haustier bei sich im Haus wohnen lässt, und Colm hört in der Regel zu. Beide stellen eine beständige Einheit auf Inisherin dar, die von niemandem in Frage gestellt wird.
Eines Tages, kurz vor dem 1. April, beendet Colm die Freundschaft. Er hätte es satt, jeden Tag mit Pádraic Banalitäten auszutauschen, die ihn nicht interessieren würden. Sein zunehmendes Alter öffne ihm die Augen und er müsse nun Zeit mit etwas verbringen, was seinem Leben Sinn verleihen würde. Der Folkmusiker sieht seine Bestimmung darin, Musik zu machen und somit etwas Bleibendes zu hinterlassen. Viel zu lange hat er seinen Song The Banshees of Inisherin in der Schublade unangetastet gelassen. Es ist an der Zeit, dieses zu ändern. Für Pádraic bricht eine Welt zusammen und hofft inständig, dass sich sein alter Freund nur einen Aprilscherz erlauben wollte. Doch für Colm gibt es kein Zurück mehr. Statt im Pub Bier zu trinken, schreibt er nun Songs und übt sie auf seiner Geige am Meer.
Mit allen Mitteln versucht Pádraic die alten Strukturen wieder herzustellen und erhält immer härtere Abfuhren von dem Folkmusiker. Colm hat die Nase voll und stellt Pádraic ein Ultimatum: Für jede weitere Belästigung wird er sich einen Finger abschneiden, was letztendlich dazu führen würde, dass er seiner Leidenschaft, dem Geigenspielen, nicht mehr nachkommen könnte. Der Streit zwischen den Freunden eskaliert und Colm setzt seine Drohung um.
Das Absurde
The Banshees of Inisherin zeigt eine Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es tobt ein Bürgerkrieg, den die Einwohner Inisherins zwar hören können, aber sonst davon unberührt bleiben. Keiner versteht, worum es in dem Krieg überhaupt geht. Schon längst sind die Fronten nicht mehr definierbar – Was ist das Gute, was das Böse? Auch der Priester in der Dorfkirche lässt mit seiner forschen Art und seiner unchristlichen Ausdrucksweise wenig Raum für Orientierung. Ein Wertehorizont weicht langsam auf. Viele scheint dies nicht zu stören, da der Alltag auf Inisherin nicht hinterfragt wird. Wenn da nicht Colm wäre, der auf einmal seinem Leben einen Sinn verleihen will.
Er versucht gegen die sich in ihm breitmachende Sinnlosigkeit anzukämpfen, widmet all seine Zeit der Musik. Der französische Philosoph Albert Camus beschrieb den Zustand, in dem sich Colm befindet, in seinem Essay Der Mythos des Sisyphos: Es sei ein urmenschlicher Trieb, nach Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens zu streben, doch einen Sinn gäbe es nicht. Drei Möglichkeiten nennt Camus in seinem Essay, mit der Absurdität der eigenen Existenz umzugehen: Selbstmord, Flucht in den religiösen Glauben oder die Annahme des Absurden. Während der Suizid und die Religion von Camus als Flucht vor der eigenen Existenz abgetan wird, bleibt letztendlich nur noch das Annehmen des Absurden.
Auch Colm ist sich dessen bewusst, dass seinem bisherigen Leben keinerlei Sinnhaftigkeit innewohnt. Er flüchtet nicht davor, stellt immer wieder fest, dass der forsche Priester auch keine Antworten auf seine Sorgen hat und beginnt, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Er durchlebt den typischen existenzialistischen Umgang mit seinem Unbehagen und beginnt, sich selbst zu dem zu machen, was er wirklich sein will.
Sehbar?
The Banshees of Inisherin scheint auf dem ersten Blick ein ruhiger Film zu sein. Die Gleichförmigkeit der kleinen Insel überträgt sich sofort auf den Zuschauenden. Kauzig und eingefahren wirkt der Protagonist Pádraic und lässt vermuten, dass sich der Film zu einer schwarzen Komödie entwickelt. Doch nach und nach legt sich ein tiefsitzender Kern der Geschichte frei und konfrontiert nicht nur die Figuren des Films mit wohl eine der wichtigsten Fragen, die man sich stellen kann: Wofür bin ich auf dieser Welt? Dieses zutiefst menschliche Verlangen, dieser Frage nachzugehen, wird auch bei dem Publikum entfacht. Dieser Film ist für alle sehenswert, die diese Frage aushalten können und die sie unvoreingenommen in all ihren möglichen Antworten begegnen können. Für diejenigen ist The Banshees of Inisherin ein zutiefst bewegender Film.
Trailer des Films: https://www.youtube.com/watch?v=ThlYvPwMVTs